Der Volkswagen Konzern will aktiv dazu beitragen, dass die Zahl der tödlichen Unfälle weiter sinkt. Wie das funktionieren soll? Mit cleveren Assistenten und Connectivity.

Text: Joachim Hentschel | Illustration: C3 Visual Lab

Zuerst die gute Nachricht: Die Straßen in Europa werden immer sicherer. Zu dem Ergebnis kamen die Statistiker der Weltgesundheitsorganisation WHO, als sie im Oktober 2015 ihre letzte große Studie zur globalen Verkehrssicherheit vorlegten. Demnach ging zwischen den Jahren 2000 und 2015 die relative Zahl der Verkehrstoten in den europäischen Ländern um mehr als 55 Prozent zurück. (Relativ heißt: Die in derselben Zeit gestiegene Menge an Fahrzeugen wurde aus dem Ergebnis herausgerechnet, um es aussagekräftiger zu machen.)

Dass sich die Sicherheitslage an vielen Orten so deutlich verbessert hat, liegt unter anderem an strengeren Gesetzen und verstärkten Verkehrskontrollen, an der optimierten Infrastruktur – aber auch an neuen Assistenzsystemen und weiteren Fortschritten in der Automobiltechnologie, die Fahrer, Passagiere und Passanten immer zuverlässiger schützen.

In der anderen, weniger guten Nachricht steckt die Herausforderung für die Autobranche: Rund 1,3 Millionen Verkehrstote weltweit pro Jahr sind, trotz aller Erfolge, immer noch zu viel. Menschliches Verhalten wird im Straßenverkehr nie ganz fehlerfrei sein, das steht fest. Aber wenn Hersteller ihre Autos noch konsequenter mit digitalen Sicherheitssystemen und vernetzten Features ausrüsten, wenn sie Displays und andere Infotainment-Quellen so konzipieren, dass sie den Fahrer so wenig wie möglich vom Geschehen auf der Straße ablenken – dann wird die Zahl der Unfälle in Zukunft noch weiter sinken. Und die Unfälle, die sich nicht verhindern lassen, werden weniger schwere Folgen haben.

Deshalb hat sich die Volkswagen Konzernforschung die Ziele der internationalen lnitiative „Vision Zero“ zu eigen gemacht. Zero steht für null Verkehrstote, das Fernziel. In diesem Fall bedeutet die Null, dass Fahrzeuge der Marken von Volkswagen langfristig an keinen Unfällen mit Todesopfern oder Schwerstverletzten mehr beteiligt sein sollen.

Die Weiterentwicklung von Funktionen des autonomen Fahrens ist in dieser Hinsicht besonders vielversprechend. Denn wenn Autos selbst steuern, bremsen und untereinander kommunizieren – dann werden die Fehler, die Menschen beim Fahren unterlaufen, immer weniger ins Gewicht fallen. Bis dahin wird es noch ein wenig dauern, aber die Technologie schreitet schnell voran.

Wie treiben die Konzernmarken mit ihren Produkten und Diensten die Ideen der Vision Zero voran? Die vier Schlaglichter, die wir hier zeigen, stehen für verschiedene Ansatzpunkte: verbessertes Design von Benutzeroberflächen, Echtzeit-Kundendienst, avanciertere Assistenzsysteme und autonome Funktionen. Wir kommen der Vision Zero näher – Schritt für Schritt.

 

TICMIRROR
Der intelligente Rückspiegel

Autos werden immer vernetzter, ziehen in Echtzeit viele Informationen für die Fahrt aus dem Internet. Die Bedienung solcher digitaler Benutzeroberflächen muss so intuitiv gestaltet werden, dass sie nicht vom Verkehrsgeschehen ablenkt. Eine Lösung für Fahrzeuge, die nicht bereits ein vernetztes Infotainmentsystem besitzen: der Ticmirror, den die Volkswagen Group China derzeit im Joint Venture mit dem chinesischen Technologieunternehmen Mobvoi weiterentwickelt. Der intelligente Rückspiegel hat eine Online-Navigationsfunktion, kann Musik streamen, via intuitiver Sprachbedienung Ziele in der Umgebung suchen und zum umfassenden virtuellen Assistenzsystem ausgebaut werden.

 

SCANIA PLATOONING
Stop-and-go 4.0

Kolonnenverkehr im Stop-and-go-Modus – eine perfekte Situation, um Funktionen des autonomen Fahrens anzuwenden. Hier setzt Scania mit dem Platooning-Projekt an: Die weltweit erste komplett autonome Kolonnentechnologie wird seit 2017 modellhaft eingesetzt. Wenn die Tests abgeschlossen sind, sollen unter anderem am Hafen von Singapur jeweils vier Lkw Container von einem Terminal zum anderen transportieren. Nur im ersten wird ein Fahrer sitzen, die anderen drei folgen ihm autonom. Zusätzlich soll auch das präzise An- und Abdocken der Fracht komplett automatisiert werden. Das erhöht nicht nur die Produktivität, sondern auch die Sicherheit.

 

RACE TRAINER
Der digitale Rennfahrlehrer

Einige Glückliche durften ihn schon auf dem Testgelände im niedersächsischen Ehra-Lessien ausprobieren: Der Race Trainer, ein Projekt der Konzern-Forschung, ist ein visionärer Assistent, an dem sich der Zusammenhang zwischen autonomem Fahren, Augmented Reality und Verkehrssicherheit studieren lässt. Das System zeigt dem Fahrer an, wann er auf einer bestimmten Strecke bremsen, wie er beschleunigen und wo er in die Kurve einlenken soll – mit Lenk- und Bremshilfen, akustischer Hilfestellung und auf die Fahrbahn projizierten Markierungen. Die Erkenntnisse aus dem Forschungsprojekt werden für die nächste Generation von Assistenzsystemen eingesetzt und machen diese zu modernen Schutzengeln.

 

BUGATTI TELEMETRIE
Der Echtzeit-Inspekteur

Diesen Service genießen Kunden von Bugatti seit 2004: Für den Veyron 16.4 wurde ein Datenübertragungs- und -analysesystem eingeführt, das es möglich macht, den technischen Zustand jedes einzelnen Fahrzeugs vom Stammsitz in Molsheim aus jederzeit individuell abzufragen. Seit dem Launch des neuen Chiron1 2017 funktioniert das sogar in Echtzeit: Wenn es eine Auffälligkeit am Fahrzeug gibt, erhält der Bugatti Kundendienst eine Meldung und kann sofort reagieren. Den Premium-Service hatte es in dieser Form zuvor nur für Formel-1- und DTM-Fahrzeuge gegeben, jetzt sorgt er bei Bugatti Fahrern für optimale Sicherheit.

 

Lebensretter auf dem Vormarsch

Beispiel Deutschland: So haben seit den 1970er-Jahren Assistenzsysteme geholfen, die Zahl der Unfalltoten zu reduzieren.

1 Bugatti Chiron: Kraftstoffverbrauch in l/100 km kombiniert: 22,5, CO₂-Emission in g/km kombiniert: 516, Effizienzklasse: G